Zwischenruf: Die neuen Überweisungsregeln der EU waren überfällig
Der Oktober brachte eine nicht geringe Neuerung für Banken und Bankkunden in der Europäischen Union. Seit kurzem sind die Geldinstitute bei Überweisungen verpflichtet zu überprüfen, dass IBAN und Empfängername zusammenpassen, sprich, dass Geld von Kunden auch beim richtigen Empfänger ankommt. Diese zusätzliche Sicherheitsprüfung wird ihre Wirksamkeit gegen Onlinebetrugsmaschen zweifellos unter Beweis stellen und schützt auch vor Flüchtigkeitsfehlern beim Überweisen.
Eine weitere, fast noch wichtigere Neuerung sind die verpflichtenden Echtzeit-Überweisungen, die nun alle Banken anbieten müssen, und zwar ohne zusätzliche Kosten, also in der Regel kostenlos.
In anderen Worten: Überweisungen vom Girokonto sind jetzt so schnell wie Geld senden per PayPal schon seit über zehn Jahren.
Diese Vorteile bieten Dir die Echtzeit-Überweisungen:
- kein tagelanges Warten mehr auf Zahlungen
- kein Rätselraten darüber mehr, welche Bank wann und innerhalb des selben Verbunds gutschreibt
- kein minutiöses Planen von Terminüberweisungen mehr für einen fristwahrenden Eingang beim Empfänger
Die EU-Verordnung zur Empfängerprüfung und der Echtzeit-Überweisung sorgt nicht nur dafür, dass Geldgeschäfte in der EU sicherer werden. Das klassische Bankkonto kann beim Nutzerkomfort im Wettbewerb mit beliebten Zahlungsdiensten wie PayPal auch deutlich aufholen.
Windhose im Wasserglas
Statt Freude oder zumindest Erleichterung über diesen überfälligen Schritt hin zu einem noch einheitlicheren europäischen Finanzmarkt, kochten zuletzt erneut Aufregung, Unverständnis und sogar regelrechte Aggressionen gegen die neuen Regeln hoch. Ein Grund zumindest für die Verwirrung: Die Empfängerprüfung führte bei vielen Kunden zunächst zu Warnmeldungen, nämlich dann, wenn ein Empfängername vom Kunden nicht in der exakt identischen Schreibweise angegeben wurde, die dieser bei der Kontoeröffnung nutzte.
Weichen die Schreibweisen deutlicher ab, wird diese Warnung noch etwas nachdrücklicher formuliert. Und richtig ist auch: In den ersten Tagen nach Inkrafttreten der Verordnung schafften und schaffen es einige Banken schlicht nicht, die Empfängerprüfung sauber zu implementieren, weshalb es auch bei korrekter Schreibweise zu solchen Warnmeldungen kommen kann,. Teils ließen sich Überweisungen sogar nicht veranlassen, was definitiv nicht dem Geist der Verordnung entspricht – traurig genug, aber die Geldinstitute haben ihre Kunden zumeist explizit auf diese eigenen Unzulänglichkeiten hingewiesen.
Der im Netz köchelnde Sturm der Empörung indes dreht sich einmal mehr um absurde Narrative der Bevormundung und Gängelung der Bürger durch die (europäische) Politik – in völliger Verkennung der Tatsachen. Tatsächlich ist es so, dass nach wie vor jeder EU-Bürger Geld an jede beliebige IBAN überweisen kann, auch wenn der Empfängername Bugs Bunny lautet. Die Warnung bei nicht übereinstimmender IBAN und Empfängername kann jederzeit übergangen werden. Das kann jeder unter anderem bei der BAFIN nachlesen.
Kritik vollkommen unberechtigt?
Gibt es also gar keinen Anlass zur Kritik an der neuen EU-Verordnung? Tatsächlich wird vereinzelt gefragt, wieso es so lange dauern musste, bis so eminent wichtige Aspekte wie eine Überprüfung des Empfängers im europäischen Zahlungswesen eingeführt wurden. Auch der Umstand, dass bei innerdeutschen Überweisungen vor Einführung der IBAN stets Kontonummer und Empfänger abgeglichen wurden, war Gegenstand der Debatte. Und ja, die Frage, wieso die SEPA-Überweisungen hier so träge waren, ist berechtigt.
Für Kopfschütteln sorgte bei vielen Kunden auch der extrem gestreckte Start der Echtzeit-Überweisungen, die europäische Banken zwar schon seit Jahren annehmen müssen, aber erst jetzt verpflichtet werden, sie auch für ausgehende Geldtransfers anzubieten. Ein Geschenk an die Finanzwirtschaft wird die lange Übergangsfrist bisweilen genannt.
Beide Kritikpunkte haben ihre Berechtigung: Banken klagten schon vor Jahren über den hohen Aufwand zur Implementierung der Echtzeit-Überweisungen, die umfangreiche Investitionen in ihre oft seit Jahrzehnten vor sich hin rottende IT nötig machten. Wie absolut notwendig die neue Verordnung ist, sieht man schon daran, dass sich viele Geldhäuser buchstäblich bis zum letzten Tag Zeit ließen, die Vorgaben umzusetzen.
Man mag also konstatieren: Die EU-Gesetzgebung ist nicht perfekt. Oft genug werden Verordnungen und Richtlinien von Lobbyaktivitäten verwässert, sodass Wirksamkeit und Nutzen für den Verbraucher deutlich abgeschwächt werden. Außerdem trifft nicht jede EU-Vorschrift die Bedürfnisse des Bürgers wirklich punktgenau. Doch selbst die schärfsten EU-Kritiker dürften an der Vorstellung eines Europas ohne kostenloses Roaming, Reisefreiheit und der vertrauten Währung am Urlaubsort keinen rechten Gefallen finden.
Dass die neuen Überweisungsvorschriften nun für so viel Unmut sorgen, haben nicht zuletzt die Banken verschuldet, die es trotz jahrelanger Fristen nicht vermocht haben, eine neue Anforderung vernünftig umzusetzen. Es bleibt zu hoffen, dass die Anlaufschwierigkeiten rasch der Vergangenheit angehören und die Finanzwirtschaft die neuen Auflagen nicht postwendend als Ausrede für weiter steigende Gebühren missbraucht.
Kommentar verfassen