5G-Vermarktung startet in letzter Minute

1&1 Drillisch 5G-Netz: Alle Infos zu Ausbau & Tarifen

  • aktualisiert am 10.02.2023
Der Start des eigenen 5G-Netzes war bei 1&1 Drillisch für 2022 zu erwarten. Der Netzbetreiber, hinter dem der Großkonzern United Internet steht, ging als einer der großen Gewinner der ersten 5G-Frequenzauktion hervor. Nachdem die notwendigen Frequenzlizenzen erfolgreich ersteigert wurden, wird hinter den Kulissen nun fleißig gewerkelt, um das eigene Netz an den Start zu bringen.
1&1 Drillisch 5G Pläne

(Bild: 1&1; Montage: handyhase.de)

Das eigene 5G-Netz von 1&1 Drillisch: Alle Infos

Als Konzernchef Ralph Dommermuth im Rahmen der Halbjahresbilanz für das Geschäftsjahr 2019 den Start des eigenen 5G-Netzes ankündigte, wurde dafür noch das Jahr 2021 angepeilt, berichtete unter anderem Heise Online. Es sollte Ende 2022 werden: Am 28.12.2022 wurde offiziell nach einer langen Testphase die Vermarktung des 5G-Netzes von 1&1 gestartet.

Solange das im Aufbau befindliche Netz noch nicht mit wesentlicher Netzabdeckung verfügbar ist, kann 1&1 per National Roaming auf das Netz von Telefónica Deutschland zugreifen. In der Übergangszeit wird 1&1 Drillisch weiterhin Tarife im Netz von Telefónica vertreiben.

Das japanische Unternehmen Rakuten baut im Auftrag von 1&1 das 5G-Netz. Zum Einsatz kommt eine Technik namens OpenRAN, die nicht unumstitten ist. So verspricht Rakuten, dass das Netz wegen offener Standards energieeffizient und günstig im Unterhalt betrieben werden kann. Kritik kommt von den etablierten Netzbetreibern in Deutschland: Die Technik sei nicht ausgereift und daher noch nicht für den Betrieb auf großer Fläche geeignet.

Erste Sender aufgebaut: Netz-Experten beobachten Standorte

Auf Twitter und in anderen sozialen Medien machten seit 2020 erste Bilder von mutmaßlichen 5G-Standorten die Runde. Auf unsere Anfrage hin bestätigte ein Sprecher des angehenden Mobilfunk-Netzbetreibers, dass „an mehreren Standorten 5G-Technologie verschiedener Anbieter“ getestet wurde.

1&1 Drillisch 5G Standort Sender

Der mutmaßliche 5G-Sender am Standort Karlsruhe (noch ohne Betrieb). Mit freundlicher Genehmigung von @xeoniki200

Sichtungen wurden gemeldet von den United-Internet-Standorten in Karlsruhe und Montabaur. Dabei wurden auch erste Sendeaktivitäten gemessen.

Neueste Funde von Ende Juni 2021 zeigen, dass 1&1 bereits 5G im sogenannten „Standalone“-Modus testet. Hierbei handelt es sich um „echtes“ 5G, das ohne LTE-Unterstützung auskommt.

5G Standalone bei 1&1 gemessen

Die mutmaßlich erste Messung von 5G Standalone im 1&1-Testnetz (mit freundlicher Genehmigung von @xeoniki200)

Für die Kunden von 1&1 und potenzielle Interessenten bedeutet dies jedoch vorerst nicht, dass sie ein 5G-Netz von 1&1 Drillisch nutzen können. Der Test „ist Teil des Entscheidungsprozesses für den künftigen Netzausrüster, mit dem 1&1 Drillisch sein 5G-Netz bauen wird“, hieß es weiter auf unsere Anfrage hin.

5G-Tarife vorerst im Telefónica-Netz

Am 06.10.2020 wurden echte 5G-Tarife von 1&1 angekündigt. Beide Varianten sind Stand Januar 2021 seit einiger Zeit buchbar und bieten Zugriff auf das 5G-Netz von Telefónica. Im einzelnen sind dies:

  • 1&1 All-Net-Flat 5G XL mit 40 GB 5G-Volumen statt 20 GB. In den ersten 6 Monaten fallen reduzierte 19,99 € Grundgebühr an, danach regulär 34,99 € mtl.
  • 1&1 All-Net-Flat 5G XXL mit 100 GB 5G-Volumen statt 50 GB. 6 Monate lang kostet der Tarif reduzierte 24,99 € Grundgebühr, danach 39,99 € im Monat.

Die zuvor verfügbar gewesenen 1&1 All-Net-Flats im Telefónica-Netz mit der Angabe „5G ready“ sollten mittlerweile die Freischaltung für das 5G-Netz von Telefónica bekommen haben. Kunden wurden entsprechend über die Änderung der Tarifleistungen informiert. Ähnlich wie bei o2 erfolgt der 5G-Zugang per (kostenlos aktivierter) Option.

Welche Probleme kann es für 1&1 beim 5G-Ausbau geben?

Ob das Ziel zu schaffen ist für 1&1 Drillisch, hängt nicht nur von Kooperationsverträgen mit den Netzwerkausrüstern ab, sondern auch davon, ob Gemeinden überhaupt das Aufstellen neuer Funkmasten genehmigen.

Nicht zuletzt die Deutsche Telekom sieht sich immer öfters in der Zwickmühle, dass man zwar das Netz deutlich ausbauen und damit „verbliebene weiße Flecken“ schließen oder das Netz an sich besser machen will, aber Gemeinden als Besitzer öffentlicher Gebäude und/oder Grundstücke das Aufstellen der nötigen Funkmasten mitten im Gemeindegebiet verweigern.

Ein zunehmendes Problem, dem auch 1&1 Drillisch bei seinen 5G-Plänen gegenüber stehen dürfte.

Schwieriger Start mit gewissem Restrisiko

Damit 1&1 Drillisch sein eigenes Netz erfolgreich starten kann, bedarf es jedoch neben dem Aufstellen von eigenen Funkmasten noch einer anderen Lösung. Damit ein flächenmäßig nutzbares Netz zustande kommt, ist 1&1 Drillisch zwingend auf National Roaming in anderen Netzen angewiesen. Neben Telefónica Deutschland mit seiner Kernmarke o2 stehen auch die Telekom und Vodafone auf der Liste der Verhandlungspartner.

„Mein Bauchgefühl ist, dass wir National Roaming angeboten bekommen, auch von Vodafone oder von der Telekom – die Frage ist aber natürlich zu welchen Konditionen“, sagte Dommermuth zu dem Thema. Die Bundesnetzagentur jedenfalls hat die Frequenzlizenzen für 5G mit der Auflage des diskriminierungsfreien Zugangs weiterer Anbieter verknüpft.

Genau darin sieht auch Dommermuth die Notwendigkeit, um erfolgreich ein viertes Mobilfunknetz in Deutschland starten zu können. Zumindest zu Beginn, solange das eigene Netz noch erhebliche „weiße Flecken“ aufweisen wird.

Einigung zu National Roaming erzielt

Mitte Februar 2021 erfolgte schließlich gefühlt der ersehnte Befreiungsschlag für 1&1 Drillisch: Das Unternehmen konnte sich mit Telefónica Deutschland über eine Kooperation zu National Roaming einigen. Das Angebot von Telefónica Deutschland gilt dabei zunächst rückwirkend ab dem 1. Juli 2020 und kann zweimal verlängert werden. Die erste Möglichkeit zur Verlängerung des NRA-Abkommens ist für Mitte 2029 terminiert, und kann anschließend noch einmal zusätzlich um weitere fünf Jahre verlängert werden.

Konkret wird der bereits bestehende MBA-MVNO-Vertrag (Mobile Bitstream Access – Mobile Virtual Network Operator) in ein National Roaming Agreement (NRA) umgewandelt. Dies ist unter anderem ein Teil der Auflagen, welche die EU zur Bedingung der Übernahme von E-Plus durch Telefónica Deutschland damals 2014 gemacht hatte.

Übrigens gilt das National Roaming für das 1&1 Drillisch eigene Netz ausschließlich für das 2G-/3G-/4G-Netz von Telefónica Deutschland. Auf das 5G-Netz von Telefónica Deutschland kann 1&1 Drillisch nur im Rahmen von MBA-MNVO-basierenden Tarifangeboten zugreifen. Beide Dienste, MBA-MNVO und NRA, laufen für einen definierten Zeitraum parallel, bis 1&1 Drillisch sein eigenes 5G-Netz aufgebaut und Bestandskunden auf die eigenen 5G-Tarife migriert hat.

Streitpunkt Kosten für National Roaming

Bisher scheiterte das Vorhaben vor allem an den unterschiedlichen Vorstellungen hinsichtlich der Kosten für nationales Roaming. Während die drei Netzbetreiber gemäß eigener Aussagen preislich durchaus attraktive Angebote vorgelegt hatten, sah United-Internet-Konzernchef Dommermuth die Angebote als zu teuer an. Die Fronten zwischen Telekom, Vodafone, Telefónica und United Internet waren dermaßen verhärtet, dass im Sommer 2020 die BNetzA vermitteln musste – ebenfalls ohne Ergebnis.

Nach Ansicht von Dommermuth ist die Weigerung von Telekom, Vodafone und Telefónica zu seinen Vorstellungen eine National-Roaming-Vereinbarung abzuschließen, eine (indirekte?) Blockadehaltung der etablierten Netzbetreiber, um einen vierten Mitbewerber zu verhindern.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass besagte drei Netzbetreiber argumentieren, die 1&1 Drillisch AG als ausführendes Unternehmen für das 1&1-Netz habe zu wenig konkrete Schritte unternommen für einen Netzausbau, wie unter anderem 4G.de berichtete. Genau diesen Punkt hat der Konzern laut eigenen Aussagen in den vergangenen Monaten in Angriff genommen durch den Glasfaserausbau.

Gibt es einen Plan B ohne eigenes 5G-Netz?

Im schlimmsten Fall hätte sich 1&1 Drillisch entweder einen finanzkräftigen Partner suchen oder die Frequenzlizenzen wieder verkaufen müssen. Diesen Weg schließt Dommermuth zumindest aus: „Wir haben das Frequenzspektrum ersteigert und sind am Verhandeln […], weil wir ein eigenes Netz bauen wollen.“ Einen Plan B ohne eigenes 5G-Netz gebe es schlichtweg nicht.

Es wird schwer für 5G mit dem 1&1-Logo

Da 1&1 Drillisch lediglich über insgesamt 70 MHz Spektrum in den künftigen 5G-Bändern mit 2 GHz und 3,6 GHz besitzt, kommt der Konzern nicht drum herum, auf National Roaming zu setzen. Rein physikalisch wäre ein flächendeckendes Netz mit den ersteigerten Frequenzblöcken wirtschaftlich und Infrastrukturmäßig so gut wie nicht machbar. Umso wichtiger ist das nun erzielte Abkommen mit Telefónica Deutschland, um überhaupt ein Netz unter wirtschaftlichen Aspekten aufbauen zu können.

Mit den genannten 5G-Frequenzen wäre eine stabile Versorgung nur auf kurze Strecken möglich, nicht jedoch über größere Distanzen. Auf lange Sicht wird sich 1&1 Drillisch auch mit der Ersteigerung von Frequenzblöcken bei niedrigen Frenquenzbändern beschäftigen müssen, um ein 5G-Netz in der Fläche, zum Beispiel außerhalb von Großstädten, überhaupt vernünftig realisieren zu können.

Telefónica bietet Schützenhilfe für den 5G-Start

Bis das eigene 5G-Netz in nennenswertem Umfang steht, mietet 1&1 Drillisch Netzkapazitäten bei Telefónica Deutschland an. Konkret geht es um zwei Frequenzblöcke mit jeweils 10 MHz Bandbreite im 2,6-GHz-Band. Natürlich gibt Telefónica Deutschland diese nicht ohne Grund ab: Die Vermietung ist Bestandteil der EU-Auflagen zur Übernahme von E-Plus aus dem Jahr 2014.

Der CEO von 1&1 Drillisch, Ralph Dommermuth, kommentiert die Anmietung folgendermaßen: „Die nun getroffene Vereinbarung ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Aufbau unseres 5G-Netzes. Mit dem von Telefónica angemieteten Spektrum überbrücken wir den Zeitraum, bis unsere eigenen Frequenzblöcke im Bereich 2 GHz nutzbar sind.“

Bis wann gilt der Mietvertrag für die Netzkapazitäten?

Der Mietvertrag gilt dabei vorerst nur bis Ende 2025 und hat die Zustimmung der BNetzA erhalten – was als reine Formsache galt.

Hintergrund ist, dass die von 1&1 Drillisch ersteigerten Frequenzblöcke im 2-GHz-Bereich erst ab dem 01.01.2026 von der BNetzA freigegeben werden. 1&1 Drillisch kann durch diese Aktion daher schon eher mit einem mehr oder weniger eigenen 5G-Netz starten. Zumindest lassen sich so die eigenen Pläne einhalten, ab 2021 2022 mit einem eigenen Netz zu starten.

Mehr Wettbewerb durch neues 1&1 5G Netz und ernste Hürden

Für Marktbeobachter könnte das Engagement von 1&1 Drillisch für 5G-Frequenzen vor allem für Verbraucher ein Vorteil sein. So wird von Experten erwartet, dass 1&1 Drillisch eine aggressive Preisstrategie anvisiert, was zu einem härteren Konkurrenzkampf und damit schneller sinkende Preise für den Verbraucher bedeuten kann, als wenn nur die bekannten drei Big Player um die Kundschaft buhlen würden.

Zu Beginn werde man jedoch verstärkt LTE ausbauen und nicht komplett auf 5G setzen. Gründe dafür sind zum einen die fehlende Telefonie-Unterstützung der derzeitigen 5G-Netztochnologie, als auch die Tatsache, dass 4G LTE noch über Jahre hinweg den Massenmarkt bedienen werde. Dafür sei unter anderem ein Punkt der Mangel an bezahlbaren Smartphones mit 5G im Mittelklasse- und vor allem Einsteigerbereich, auch wenn sich das durch Modelle wie das Xiaomi Redmi Note 9T 5G bereits ändert.

Zudem kommt hinzu, dass Dommermuth damit rechnet, dass der Austausch der im Umlauf befindlichen Smartphones auf 5G-fähige Geräte noch mehrere Jahre benötigen wird.

Weitere Informationen zu 5G an sich findest Du in unserem Ratgeber zu dem Thema.

Originalartikel vom 16.08.2019 – zuletzt aktualisiert am 29.12.2022.

Profilbild von Stefan
Der Hardware-Hai Stefan hat seine Mobilfunk-Anfänge schon weit vor seinem Studium der Angewandten Informatik unternommen. Seitdem hat sich das Hobby zum Beruf gewandelt und während des Studiums erfolgte 2012 der Einstieg in die Blogger- & Redaktions-Welt.
Beteiligte Autoren: Daniel Molenda